Der eine oder andere weiß vielleicht, dass ich schon 2004 mit Schulfreunden eine GbR gründete um mit Webdesign ein paar Euro einzusammeln. Reich sind wir wahrlich nicht geworden, aber spaßig und lehrreich war es allemal. In der Artikelserie Geschichten von damals möchte ich ein paar Anekdoten aus dieser Zeit erzählen, die die ältesten meiner Stammleser sicher schon kennen, der Rest aber mit Sicherheit noch nicht. Heute ist die Geschichte Mit dem Longship nach Hamburg an der Reihe.

Ach ja… damals…

Eine kleines Eskapade aus dem Jahr 2004. Wir hatten damals hauptsächlich Kunden aus der Gegend. Das war sehr angenehm, denn den persönlichen Kontakt mit der Kundschaft kann man nicht ersetzen. Unsere Arbeitsweise war so angelegt dass wir uns oft, d.h. mindestens 3× pro Projekt mit dem Kunden trafen und uns so stufenweise zur idealen Website vorarbeiteten.

Das war wie gesagt ein sehr angenehmes Verfahren… es sei denn der Kunde kam mal von außerhalb. Aus einem Vorort von Hamburg zum Beispiel. Hübsche 230 Kilometer sind da zu bewältigen, das entspricht in etwa drei Stunden Fahrt - jedenfalls wenn man Staus einkalkuliert… und unser Fortbewegungsmittel.

Exposition

Kurz zu den handelnden Personen. Gesellschafter #1 hieß Elvis. Diesen Namen verdankte er der Tatsache, dass er mal im Rahmen eines DVD-Abends gegen einen Schrank gelaufen ist und als Reaktion auf besorgte Nachfragen ungerührt verkündete, dass er der King sei. In unserem Team war er Programmierer und zuständig für die Bürokratie und Finanzen. Seinem Metier ist er treu geblieben und studiert heute in Osnabrück BWL.

Der Gesellschafter #2 wurde Günny genannt, was sich von seinem stattlichen Mittelnamen »Günter Friedrich« ableitete. Günny war oberster Programmierer und berüchtigt für seine Anfälle von Arbeitswut. Nicht selten kam es vor, das in der Nacht nach Erhalt eines Auftrages gegen 4 Uhr eine Message mit dem Inhalt Ich bin hier soweit fertig… macht mal hinne da! an uns abgeschickt wurde. Trotzdem er seit geraumer Zeit nur noch als Bundeswehrsoldat herumdümpelt und Helikopter entrostet, könnte Günny mich immer noch jederzeit an die Wand programmieren.

Unser erster Kunde!
Eines dieser Frühwerke

Und dann war da noch ich, der ich unter der Bezeichnung Pepe und zuständig war für Design, HTML und CSS. Ich bin dann auch der einzige geblieben, der sich weitere Jahre mit der Materie befasste, was auch zur Folge hatte, dass ich unsere Frühwerke von damals heute fast nur noch mit Abscheu betrachten kann.

Das Viking Longship of Doom

Was uns neben Webdesign und einem löchrigen Gesellschaftervertrag noch verband war Heavy Metal. Wie oft sind wir in Günnys durchgerosteten VW-Bus durch die Pampa gedüst und haben uns von Kapellen wie Blind Guardian, Brainstorm und The Crown zudröhnen lassen! Da war es nur konsequent, dass wir besagten VW-Bus einen Namen gaben, wie er einer Metal-Band würdig gewesen wäre: Viking Longship of Doom.

Dieses Longship war unser bevorzugtes Fahrzeug für alle Firmenangelegenheiten. Wie genau wir auf Longship gekommen sind, kann ich nicht mehr rekonstruieren. Longships sind immerhin wasserdicht, was man von unserem Gefährt nur bedingt behaupten kann. Diese Zeichnung wurde von mir 2005 mit MS Paint angefertigt:

Das Longship

Dieses Auto fährt heute immer noch. Man munkelt, dass das etwas damit zu tun haben könnte, dass Günny Verwandte beim TÜV hat.

Nach Hamburg!

So fuhren wir also zu einem Treffen mit einem Kunden nach Hamburg (bzw. zu einem Kaff in der Nähe), Tagesordnung war der Abschluss der Planungsphase bei einem sehr umfangreichen Projekt. Dass auf unserem Laptop zum Zeitpunkt der Abfahrt gar nichts funktionierte war nicht weiter dramatisch, schließlich hatten wir ja drei Stunden Zeit, dieses einzige Gerät, das unseren Fortschritt am Projekt dokumentieren konnte, zum funktionieren zu bringen. Kurz nach dem Ortseingangsschild war es dann auch soweit. Das Meeting verlief erfolgreich. Und kurz.

Wir: So und so haben wir uns das gedacht.
Kunde: Super Sache, das nehme ich so. Geld überweise ich morgen. Tschau!

Dafür hatten wir also drei Stunden die Autobahn strapaziert… die wir jetzt zu allem Überfluss gleich nochmal zurücklegen durften. Aber was tut man nicht alles für das Geschäft.

Gefahren ist Günny, dessen Fahrstil sehr gut zu Heavy Metal und einen Wikingerschiff passte. Er fuhr (und fährt) nämlich wie ein Berserker. Nun lobpreist man im Ausland ja unsere Autobahnen, auf denen man, wie jeder weiß, recht flott fahren darf. Dass in der Praxis, bedingt durch Baustellen, das so gut wie nicht möglich ist, das wissen ja nur wir Bewohner dieses limitlosen Zauberlandes.

Die Post ist da!

Und so hatte denn die Baustellenleitung beschlossen, die Hälfte der zweispurige Fahrbahn aufzureißen und die zwei Spuren auf die verbiebenen 50% der Strecke zu verteilen. Das war eng, es galt Tempolimit 60 und getreu Günnys goldener Regel nie mehr als doppelt so schnell wie erlaubt schlängelte sich das Longship mit gefühlten 120 km/h durch die mittlerweile in gnädiges Dunkel getauchte Strecke. Nun ist das Longship ein vergleichsweise breites Gefährt. Gleiches gilt für Post-LKW.

Und obwohl beide Fahrer den Großteil ihrer jeweiligen Vehikel tatsächlich noch innerhalb der durch gelbe Striche notdürftig aufgezeigten Fläche hielten, ließ es sich nicht verhindern, dass unser Viking Longship of Doom sich mit einem lauten »KLONK« am einem Post-Laster einen Außenspiegel abstreifte.

Da ich im Halbschlaf hing vorn auf dem Beifahrersitz hing, geschah dies für mich sehr überraschend und in sehr großer Nähe. Ich reagierte, wie man es als Mann in solch einer Situation zu tun hat: ich schreckte lautstark auf. Günny schien den Verlust seines Außenspiegels gar nicht zu interessieren, alles was er von sich gab war: Verdammt, wir haben die Ausfahrt verpasst!. Elvis auf der Rückbank fand diese Ereignisse aus unerfindlichen Gründen urkomisch und beruhigte sich erst mehrere Kilometer später.

Mit bemerkenswerter Ruhe stellte Günny fest, dass die Sache mit dem Außenspiegel so schlimm ja nicht sei, man habe ja schließlich noch so ein Gerät im Schuppen rumliegen. Aber die Ausfahrt! Die nächste kommt ja erst in X Kilometern, das wird ja noch ewig dauern, man hätte ja nicht den ganzen Tag Zeit… und so wurde mir befohlen: Pepe, hol das Ding mal rein. Der Spiegel hing noch an einer Art Kabel am Rumpf des Longships fest und schlug, bedingt durch den Fahrwind, ständig gegen die die Tür. Nun gut, dann hole ich das Ding mal rein.

Nach mehreren Versuchen gelang es mir dann tatsächlich, den sich bei 140 km/h (der absoluten Höchstgeschwindigkeit des Longships bei Rückenwind und >10% Gefälle) meinen Zugriffsversuchen immer wieder entziehenden Spiegel einzufangen. Logisch war, dass ich mir meine Hand an dem zerstörten Spiegel quasi würfelte; das Ding war schließlich nur noch ein Brocken mit Splittern bestücktes Plastik. Stell dich mal nicht so an und das geht schon wieder raus sprach Günny, als mein Blut auf dem Sitzpolster mit dem dort befindlichen Hühnerkot in einer zischenden Reaktion zu einer dunkelbraunen Suppe verschmolz.

Bei der Ankunft in der Heimat stellte ich gefrustet fest, dass ich zu allem Überfluss auch noch die Sportschau verpasst hatte. Am nächsten Tag dann war der neue Außenspiegel notdürftig montiert, meine Hand eine unförmige Eiterblase geworden und wir hatten etwas mehr Geld auf dem Konto. Was tut man nicht alles für das Geschäft.

Falls Interesse besteht habe ich auch noch mehr Geschichten von damals…