Wie der eine oder andere sicher weiß, baue ich Websites und benutze dabei Linux. In einer Branche, die im Prinzip Privatbesitz von Steve Jobs ist, sorgt das öfter für Fragezeichen. Es geht aber und es geht sogar sehr sehr gut. Und weil ich finde, dass das mehr Leute wissen sollten, starte ich diese Artikelserie. In mehreren Teilen werden wir sehen, dass sich die Designerzunft und das angeblich so komplizierte freie Betriebssystem alles andere als ausschließen müssen. Heute in Teil 1: Was ist Linux und was sind die Vor- und Nachteile.
Die gesamte Artikelserie:
- Was Linux ist und warum man sich dafür interessieren sollte
- Unverbindliches Ausprobieren
- Programme, Programme, Programme
- Photoshop und andere Windows-Anwendungen unter Linux
- Pimp my Linux
- Die Konsole ist dein Freund
Was ist Linux überhaupt?
Linux an sich ist streng genommen nur ein freier Betriebssystemkern, also ein Haufen Programmcode, der die Kommunikation zwischen Hard- und Software eines Computers regelt. Es entstand, als der Finne Linus Torvalds 1991 mehr oder minder versehentlich einen Klon des Betriebssystems Minix ein vom Unix-ähnlichen Minix inspiriertes Betriebssystem schrieb und diesen Klon wenig später unter der freien Lizenz GPL (General Public Licence) veröffentlichte. Programme mit GPL-Lizenz dürfen zu jedem Zweck genutzt, verteilt (auch verkauft) und studiert werden. Der Quellcode ist dabei jeweils mitzuliefern.
Das, was landläufig als Linux
bezeichnet wird, müsste (jedenfalls nach Meinung vieler) eigentlich GNU/Linux heißen, denn es ist ein Paket aus dem gerade beschriebenen Linux-Kern und (unter anderem) Software aus dem GNU-Projekt. Das GNU-Projekt wollte eigentlich selbst einmal ein freies Betriebssystem werden, hat es aber bis zum heutigen Tag nicht geschafft, einen brauchbaren Kernel zu produzieren. Und so haben wir heute GNU + Linux = GNU/Linux.
Eine Kombination aus GNU-Software, dem Linux-Kern und allerlei anderen Komponenten ergibt zusammen eine Linux-Distribution. Wikipedia hat dafür eine sehr anschauliche Grafik parat, die das Konzept bestens illustriert:
Und da zeigt sich: Linux ist ein ganz normales Betriebssystem für alle Arten von Computer, ganz genau wie Windows und OS X. Der wichtigste Unterschied ist, dass es eben freie Software ist und man sich bei Bedarf die meisten Programme nehmen und nach eigenen Bedürfnissen umbauen kann. Wenn man sich als Coding-Agnostiker dafür nicht interessiert, genießt man aber dennoch eine ganze Reihe weiterer Vorteile …
Warum Linux?
So ist z.B. Linux als besonders sicheres System bekannt. Das liegt zum einen an seiner geringen Verbreitung und entsprechend geringen Interesse seitens böswilliger Cracker, zum anderen aber auch an technischen Faktoren wie etwa der sehr strikten Rechteverwaltung. Außerdem schaut die technisch versierte Nutzerschaft den quelloffenen Programmen sehr genau auf die Finger und findet so viele Sicherheitslücken sehr schnell.
Wir sollten auch nicht unterschlagen, dass man durch den Einsatz von Linux ordentlich Geld sparen kann. OS X v10.5.1 kostet um die 130€ und Windows Vista Ultimate spielt in einer ähnlichen Liga. Mein Ubuntu kostet mich 50 Cent für einen Rohling und 30 Minuten Wartezeit bis der Torrent mit dem CD-Image fertig ist. Das heißt man natürlich auch, dass man sich die unter Windows gängige Raubkopierer-Behandlung erspart, bei der man ständig irgendwelche Dinge aktivieren und bestätigen muss.
Ein anderer sehr gewichtiger Faktor ist die Flexibilität. Schließlich kann man das komplette System soweit umkrempeln, wie es die eigenen Fähigkeiten ermöglichen – und das ist selbst ohne Programmierkenntnisse viel. Zwischen einem hochgepimpten Desktop voller Effekte und Tools und einer einfachen Textkonsole kann man es sich bequem da einrichten, wo es einem gefällt. Das ist nicht immer einfach, aber man Ende kann man sich selbst ein sehr angepasstes System auf den Leib schneidern. Selbst wenn man nur ein paar Programme gegeneinander austauscht, erreicht man damit Änderungen, die weit über das hinaus gehen, was mit anderen Systemen möglich ist.
Und zum Schluss nicht vergessen, dass wir es hier mit freier Software zu tun haben? Ein Feature fehlt? Selber machen! Kann nicht programmieren? Dann überzeugt man eben jemanden davon, es einzubauen. Oder man unterstützt das Projekt anderweitig, indem man Icons malt oder ein paar Euro dafür spendet. Alles geht wenn man es nur genug will.
Was spricht dagegen?
Es gibt im Wesentlichen drei Gründe, die einen halbwegs lernfähigen Menschen von Linux abhalten können: Hardware, Software und Willen. Stichwort Hardware: es gibt gerade in Sachen Wireless Lan eine ganze Reihe von Geräten, für die keine oder nur bedingt brauchbare Treiber existieren – wenn ein Hersteller keine Treiber bereitstellt, sieht es eben finster aus. Ob dieser Fall vorliegt, lässt sich mit etwas Google schnell herausfinden.
Bei Software gilt, dass es zwar für so gut wie jedes Windows/Apple-Programm einen Ersatz oder Klon für Linux gibt, aber auch, dass diese Klone nicht identisch mit ihren Vorbildern bzw. ähnlichen Anwendungen sind. Auch kann man so manches Windows-Programm mit diversen Tricks unter Linux zum laufen bekommen. Wenn man aber auf Biegen und Brechen an sein Dreamweaver MX gebunden ist und ohne genau dieses Programm unter keinen Umständen leben kann, macht es wenig Sinn, sich an Linux zu versuchen.
Wenn es in Sachen Hard- und Software keine Barrieren gibt, bleibt der Umstieg immer noch eine Herausforderung an den Willen und das Lernvermögen des angehenden Pinguinfreunds. Linux ist ein komplett anderes Betriebssystem. Einiges ist ähnlich, vieles ist anders. Es gibt zwar einen Papierkorb, aber kein Laufwerk C. Anders gesagt: Linux ist nicht Windows! (Danke ekle) Wer sich von solchen Dingen überfordert fühlt, braucht diese Serie nicht weiter zu verfolgen.
Wie geht es weiter?
In Teil 2 werden wir direkt in die Studie des lebenden Objekts einsteigen und uns später Software sowie Tricks und Anfängerfallen ansehen. Falls es Sonderwünsche gibt, ab damit in die Kommentare – man ist ja flexibel.
Kommentare (24)
notion ¶
29. April 2008, 19:50 Uhr
Finde die Idee zu der Serie sehr gut.
Interessant wäre es mal zu erfahren, wie du mit dem freien Betriebssystem die Hürde des Screendesign umschifft hast. Nutzt du ausschließlich GIMP oder hast du 'ne Photoshop-Version mit Wine laufen? Ich denke, dass diese Thematik viele Webworker daran hindert mit Linux zu arbeiten.
Gruß,
André
Peter ¶
29. April 2008, 20:02 Uhr
Zitat notion:
Ich persönlich benutze beides … Photoshop für die schwere Designarbeit, GIMP für Kleinkram wie Resizing, für .ico-Dateien … solche Sachen. Die meisten wissen einfach nicht, wie gut die Kombination Wine/Photoshop mittlerweile ist. Oder dass Wine überhaupt existiert. Aber das werden wir alles in den nächsten Tagen abarbeiten.
ekle ¶
29. April 2008, 20:11 Uhr
ein sehr schöner text zu dem Thema ist: http://www.felix-schwarz.name/files/opensource/articles/Linux_ist_nicht_Windows/
Marc ¶
29. April 2008, 20:17 Uhr
Sehr schöner Artikel ;)
Bin schon seit einiger Zeit GNU/Linux User - habe zwar noch Win, aber benutze es kaum noch - und bin mittlerweile richtiger Fan.
Nutze momentan Ubuntu, weil Debian ziemlich Probleme mit meiner Hardware hatte und Ubuntu nicht.
Von daher bis hierhin nichts neues für mich, aber auf jeden Fall ein toller Artikel, um Leute - nicht nur Webworker ;) - ein wenig über GNU/Linux zu informieren. :)
Peter ¶
29. April 2008, 20:45 Uhr
Zitat ekle:
Das ist sogar ein Klassiker von einem Text! Wie konnte ich den vergessen … Link wird direkt eingebaut.
fwolf ¶
29. April 2008, 21:18 Uhr
tja .. ich nutze hier Ubuntu 7.04 und dazu zusätzlich eine VM mit wahlweise Win2k oder WinXP für Anwendungen wie Photoshop + Co. IMNSHO kann GIMP bedienungstechnisch noch lange nicht mithalten mit Photoshop.
Wenn also weniger als 50% der Programme, die man täglich nutzt, auch in anderer Form unter Linux (oder gar direkt, etwa Java-basierte Anwendungen wie Open Office, Zend Studio oder Eclipse) verfügbar sind, dann empfiehlt sich schon ein Umstieg. Andernfalls tuts auch ne VM oder eine gute Freeware- und Open Source-Sammlung ;-)
Gilt zumindest für Windows - beim Apfel ergänzt man einfach das vorhandene Angebot mit X11 :-D
cu, w0lf.
Axel ¶
30. April 2008, 01:02 Uhr
Linux ist mitnichten ein Minix-Klon. Das Konzept ist ein völlig anderes (Microkernel vs. monolithisch).
Das einzige was er genommen hat war das Dateisystem am Anfang.
Peter ¶
30. April 2008, 04:04 Uhr
Zitat Axel:
Wäre von
genehmer?Marc ¶
30. April 2008, 04:57 Uhr
Das wird eine interessante Serie... Die Photoshop-Frage wollte ich Dir eh schonmal stellen. Wäre schön wenn Du auch auf die jeweils "benötigten" Systemressourcen eingehen könntest, vor allem ab wann (RAM, CPU) Photoshop unter Wine annehmbar läuft. CS2 läuft ja imho noch nicht.
Conny Lo ¶
30. April 2008, 07:37 Uhr
Bin gespannt auf die nächsten Folgen - bitte die Fragen abarbeiten (Du siehst, ich habe mit Linux nur wenig Erfahrung).
- welche Software steht zum Ersatz Etablierter zur Verfügung und wie gut ist diese?
- welche Hardware machts (kanns der Billig-PC von Saturn usw?)
- Praxiserfahrungen (Workflow Webdesign - wie z.B. IE-Testing?)
notion ¶
30. April 2008, 10:07 Uhr
Soweit ich weiß soll Photoshop CS2 nach der letzten CodeInjection durch Google unter Wine laufen:
http://tinyurl.com/4q52gr
Marc ¶
30. April 2008, 11:44 Uhr
Schlechter ist es ja nicht wirklich. Es ist bloß anders.
Die Schwäche, wo GIMP wirklich nicht mit Photoshop mithalten kann liegt eher im Druckbereich.
jonas ¶
30. April 2008, 12:42 Uhr
Hey, ich weiss ja nicht wie das bei dir ist, aber ich zahle fuer meine original-ubuntu cds nicht. Ausser meine emailadresse. Und da ist bist heute nix spamtechnisches angekommen.
Wer nicht weiss wovon ich rede: shipit.ubuntu.com
kostenlose ubuntucds fuer jedermann - direkt nach hause und ohne versandkosten!
Axel ¶
30. April 2008, 13:24 Uhr
Zitat Peter:
Ja wäre definitiv besser. Aber eigentlich wollte er einen Ersatz dafür schaffen weil Minix nicht frei veränderbar war.
jonas ¶
30. April 2008, 13:32 Uhr
Zitat Axel
Ja wäre definitiv besser. Aber eigentlich wollte er einen Ersatz dafür schaffen weil Minix nicht frei veränderbar war.
Eigentlich wollte er doch nur den 386(?) besser kennen lernen, oder nicht?
sC
Peter ¶
30. April 2008, 15:13 Uhr
Zitat Conny Lo:
Ist alles notiert und wird seine Zeilen erhalten.
Zitat Marc:
Ich bin ja auch alles andere als ein Gimp-Magier aber die Erkenntnis, dass es nur extrem anders ist, setzt sich auch bei mir so langsam durch. Ähnlich wie bei Blender muss man da wohl erst einen gehörigen (überdurchschnittlichen) Brocken Zeit investieren, um etwas anständiges damit anfangen zu können.
Zitat jonas:
Das geht in der Tat auch. Aber ich finde schon, dass man sich gut überlegen sollte, ob man einem Projekt wie diesem so auf der Tasche liegen muss. Wenn man z.B. mangels DSL keine andere Möglichkeit hat, soll man ShipIt benutzen … aber ansonsten sollte man das eigentlich nicht nötig haben.
Axel ¶
30. April 2008, 15:25 Uhr
Zitat jonas:
Kann auch sein, auf jedenfall ist es technisch kein Minix-Klon :)
Maxi ¶
30. April 2008, 16:45 Uhr
Ich habe eine Zeit lang mit Kubuntu 7.10 gearbeitet, und nun wollte ich auf Hardy Heron umsteigen. Dachte, dass es für die Hardware, für die es beim Vorgänger schon Treiber gab, auch bei Hardy Heron Treiber gibt. Also Platte formatiert, Kubuntu Hardy Heron drauf und sofort festgestellt, dass es für den *dummen* AVM Fritz! WLAN Stick keine Treiber mehr gibt (warum auch immer!?)...
Mit ndiswrapper bin ich nicht wirklich zurechtgekommen... man muss halt einiges an Zeit auch fürs WPA-Supporting investieren... Da wars bei Gutsy noch viel einfacher.
Wo wir schon so weit sind. Weißt du eine Möglichkeit, vernünftig WLANen zu können unter Hardy, oder muss ich mich tatsächlich mit ndiswrapper und wpa-supplicant rumschlagen?
Peter ¶
30. April 2008, 16:51 Uhr
Mit der Kombination Hardy/Wlan hatte ich bisher noch nie zu tun. Ich empfehle für solche Fragen das Forum von ubuntuusers.de
Maxi ¶
30. April 2008, 17:02 Uhr
Das kenne ich schon. Ist ja eigentlich die beste Hilfe bei Problemen - Auch bei Kubuntu.
Trotzdem danke!
Nebenbei - Nimmst du Ubuntu oder Kubuntu? Und warum?
Peter ¶
30. April 2008, 17:08 Uhr
Weder noch – Xubuntu! Das lässt mehr Leistung für meine eigentlichen Programme über, einige mitgelieferte Software wie z.B. Mousepad ist nicht so bloat wie bei KDE oder Gnome und Thunar als Dateimanager ist einfach überlegen schnell.
Maxi ¶
30. April 2008, 18:40 Uhr
Ich hab zwar von Xubuntu keine Ahnung, aber dass es schnell ist, hab ich schon gehört. Ich persönlich finde KDE und Gnome auch etwas zu aufgeblasen.
Ist halt die Frage - was würdest du einem wie mir empfehlen, der jetzt eher Linux-Anfänger mit vielleicht ein bisschen Erfahrung ist? Ich schätze an Linux vor allem die Flexibilität, aber ich versuche, möglichst viel Konsolenarbeit bzw. Herumplagen mit Konfigurationsdateien zu vermeiden und schätze grafische Assistenten.
gerhardq ¶
9. Mai 2008, 18:16 Uhr
Ich arbeite nur unter Linux (z.Zt. Ubuntu). Mit Gimp läßt sich nach Einarbeitung gut arbeiten, für einfache Arbeiten wie Resizing benutze ich ImageMagick, was übrigens noch viel mehr kann!
Matze pro KDE ¶
2. März 2009, 13:38 Uhr
@Maxi
Als Linux Anfänger würde ich persönlich (aber da wird dir jeder was anderes sagen) KDE empfehlen. Macht optisch von allen Oberflächen noch am meisten her und ist als Windows-Umsteiger einfach zu verstehen.