Nachdem wir in Teil 1 der Artikelserie „Linux für Webworker“ schon feststellen konnten, dass Linux keine schwarze Magie, sondern ein ganz harmloses Betriebssystem für Computer ist, stürzen wir uns heute direkt in die Materie. Es soll darum gehen, wie man schon mal ein wenig mit Linux herumspielen kann, ohne irgend etwas an seinem Rechner ändern oder installieren zu müssen. Und natürlich auch ohne kryptischen Code in ein Terminal hacken zu müssen.
Die gesamte Artikelserie:
- Was Linux ist und warum man sich dafür interessieren sollte
- Unverbindliches Ausprobieren
- Programme, Programme, Programme
- Photoshop und andere Windows-Anwendungen unter Linux
- Pimp my Linux
- Die Konsole ist dein Freund
Was sind Live-Systeme?
Ein Live-System ist ein Betriebssystem, das von einer CD, einer DVD oder einem USB-Stick starten kann, ohne dass es vorher auf dem betreffenden Rechner irgendwas installiert werden müsste. Viele Linux-Distributionen kann man als Live-System verwenden – es gibt sogar welche, die nur 50 MB groß sind und bequem auf jeden noch so alten USB-Stick passen.
Solche Live-Systeme sind nicht nur ein hervorragendes Tool zur Reparatur zerschossener Windows-Installationen, sondern sie eignen sich auch gut zum einfachen ausprobieren einer Linux-Distribution. Läuft mein Netzwerk? Wird meine Soundkarte erkannt? Mag ich überhaupt das GUI dieser Distribution? All diese Fragen lassen sich beantworten, ohne auch nur ein Byte Programmcode auf einem Rechner zu installieren. Und natürlich ist man als Anfänger sicher nicht schlecht beraten, seine ersten Schritte in der relativen Sicherheit eines Live-Systems zu unternehmen.
Unser erstes Linux
Wie wir im ersten Teil dieser Serie gelernt haben, bekommt man es als Endanwender meist mit Linux in Form von so genannten Distributionen, also Paketen von Software zu tun. Ubuntu ist eine solche Distribution und es wird uns im weiteren Verlauf uns unsere Beispiel-Linux begleiten. Der einfache Grund für ist, dass es gezielt für hohe Benutzerfreundlichkeit optimiert ist, einen Haufen Hardware unterstützt wird und im Moment sehr populär ist – wenn man also mal ein Problem hat, findet man relativ schnell jemanden, der eine Lösung kennt.
Bevor wir loslegen noch ein paar Sätze zu den Hintergründen unseres Testsystems. Ubuntu wird von der Firma Canonical Ltd. gesponsort, die dem südafrikanischen Unternehmer Mark Richard Shuttleworth gehört. Dieser hatte zu Zeiten des Dotcom-Booms noch gerade rechtzeitig vor dem großen Crash sein Internetunternehmen für ca 500 Millionen US-Dollar verkauft und sich mit dem Geld nicht nur einen Platz in einem russischen Sojus-Raumschiff leisten können (er war der erste Afrikaner im Weltraum und an Bord der ISS), sondern eben auch Canonical gegründet.
Diese Firma ist ein gutes Beispiel dafür, dass Linux und andere freie Software nicht, wie es manchmal unterstellt wird, der praktizierte Kommunismus ist. Denn obwohl Canonical im Moment in erster Linie davon lebt, dass Mark Shuttleworth auch nach seinem Weltraum-Trip noch ein paar Dollar übrig hatte, soll sie langfristig mit Ubuntu, das man ganz normal überall kostenlos herunterladen kann, Gewinn einfahren. Wie das geht? Ganz einfach: Canonical bietet Support und Servicedienstleistungen rund um Ubuntu gegen Bares an. Man sieht: Linux und Unternehmertum müssen sich absolut nicht ausschließen!
Mit Ubuntu werden wir uns jetzt erstmals in die Untiefen des unbekannten Betriebssystems wagen. Unverbindlich, mit einem Live-System und ohne irgend etwas fest zu installieren. Bereitzuhalten sind: Ein CD-Rohling, ein Internetanschluss und und etwas Zeit.
Unverbindliches Ausprobieren in drei Schritten
Als erstes müssen wir uns Ubuntu beschaffen. Im Get Ubuntu
-Bereich der Ubuntu-Website werden uns dazu drei Optionen angeboten: Download, Kauf und das Bestellen einer kostenlosen CD. Am schnellsten kommen wir hier natürlich mit dem Download an das Ziel: Wir brauchen die Ubuntu 8.04 LTS Desktop Edition (denn wir wollen ja keinen Server aufmachen) und die 32-Bit-Variante (denn mit 64 Bit gibt es noch so manches Problem).
Statt des direkten Downloads kann auch Bittorrent verwendet werden – in diesem Fall brauchen wir von dieser Liste die Datei ubuntu-8.04-desktop-i386.iso.torrent
. Am Ende sollte sich auf jeden Fall ein ISO-Image mit Ubuntu auf unserer Festplatte befinden. Schritt zwei bedarf dann keiner großen Erkärungen mehr: Einfach das heruntergeladene CD-Image brennen und im BIOS dem Zielrechner sagen, er möge doch bitte vom CD-Laufwerk booten. Und das war auch schon der komplette Schritt Nummer 2. Jetzt heißt es: CD einlegen und Rechner neu starten.
Im Laufe des Startvorgangs werden wir von diesem Bildschirm begrüßt:
Dort führen wir dann Schritt 3 aus: Enter drücken. Fertig. Jetzt lassen wir das CD-Laufwerk noch ein wenig arbeiten und zack – wir sind da. Willkommen bei Linux.
Sieht doch gar nicht so übel aus, oder? Das System ist komplett funktionsfähig. Wer mag, der darf schon mal mit den diversen Desktop-Einstellungen herumspielen, in OpenOffice einen Text schreiben oder mit dem Firefox 3 eine Runde surfen. Einige Dinge wie 3D-Beschleunigung oder Wlan funktionieren unter Umständen mangels Treiber nicht, aber zumindest kann man schon mal einige andere Aspekte von Linux/Ubuntu ausprobieren.
Wenn man glaubt alles gesehen zu haben, kann man ganz einfach den Rechner herunterfahren, die CD aus dem Laufwerk nehmen und neu starten – schon ist man wieder zuhause bei seinem Windows oder MacOS. Und man kann feststellen: Linux ist ja gar nicht so kompliziert und nerdig, wie es heißt. Damit kann man ja sogar richtig arbeiten! Aber auch als Webworker? Die folgenden Teile dieser Artikelserie werden es zeigen.
Ausblick auf Teil 3
Im nächsten Teil werden wir uns an das machen, was jedem anständigen Webschaffenden besonders lieb und teuer ist – die Software, die ihn seinen Job schnell und komfortabel erledigen lässt. Und davon gibt es unter Linux viel. Und das was es nicht gibt, bekommt man trotzdem zum funktionieren. Man bedenke die goldene Linux-Regel, dass alles möglich ist, wenn man es nur genug will. In ein paar Tagen werden wir uns also mit Aptana, gftp, Apache, Quanta Plus, GIMP, dem Pixel Image Editor und vielen anderen feinen und freien (oder zumindest preisgünstigen) Programmen befassen.
Bis dahin hätte ich noch ein paar Vorschläge für den interessierten Leser:
- Derivate ausprobieren: Weil wir in den weiteren Teilen der Serie auch mit Ubuntu werkeln werden, ist es vielleicht nicht falsch zu wissen, dass es verschiedene
Geschmacksrichtungen
dieser Distribution gibt. Die wichtigsten (offiziellen) sind Kubuntu und Xubuntu, die jeweils unterschiedliche GUIs mitbringen. Und weil die auch alle als Live-CD daherkommen, bietet sich das Ausprobieren ja durchaus an. - Wissen ist Macht: Die Wikipedia-Artikel rund um das Thema Linux sind von beängstigend guter Qualität. Ubuntu und Linuxhaben nicht umsonst den Status
exzellenter Artikel
– da kann man vieles lernen, für das in meiner kleine Artikelserie kein Platz ist. - Bookmarken: ubuntuusers.de und ubuntuforums.com wird man brauchen wenn mal was schief läuft. Außerdem kann man dort auch schon mal stöbern und zum Beispiel schöne Screenshots anschauen.
Kommentare (15)
Michel ¶
1. Mai 2008, 20:09 Uhr
Ich hab auch schon das ein oder andere Mal Ubuntu ausprobiert, bin aber noch nicht so recht im Einklang damit.
Hab mir auch in der 7.04 (?) die Auflösung zerschossen, weil ich die 1680×1050 manuell eintragen musste.
Aber ich bin gespannt auf den nächsten Artikel, vielleicht steig ich ja mal komplett von Windows um.
Peter ¶
1. Mai 2008, 23:58 Uhr
Zitat Michel:
Solch Kleinkram hält dich doch nicht auf, oder?
Michel ¶
2. Mai 2008, 00:40 Uhr
Ich glaub durch diesen tollen Desktop-Würfel-Effekt und eben der Auflösungssache hatte ich mir noch was anderes zerschossen. :D
Ich schau morgen mal obs nicht doch wieder läuft.
pitch ¶
2. Mai 2008, 08:05 Uhr
danke für diese beitragsserie! auf soetwas habe ich schon immer gewartet.
Sylke ¶
2. Mai 2008, 10:44 Uhr
Hallo Peter,
fand den ersten Beitrag schon sehr interessant und bin sehr gespannt auf das, was noch kommt.
Ich selbst arbeite seit Monaten am liebsten mit Kubuntu (seit ein paar Tagen mit 8.04).
Das einzige, was ich vermisse ist... PhotoShop. Alles andere, wie Editoren, FTP-, SVN-... Programme gibts mindestens genauso gut, meistens besser.
Seit ich mit Bluefish (manchmal auch Kate) code, mag ich Phase5 nicht mehr *g*.
Amaya (hab ich neu für mich entdeckt) ist offensichtlich ein feines Werkzeug, wenn man ständig Dateien für Kunden aktualisieren muss (mach ich wöchendlich, die Menükarte für ein Restaurant).
Nun denn - wenn ich den Gimp jetzt noch besser begreifen würde... würde ich keine WinDose mehr brauchen.
Was zum arbeiten ja auch ganz wichtig ist: Es gibt keinen besseren Player als Amarok...
Sylke ¶
2. Mai 2008, 10:47 Uhr
@Michel: Mit den grafischen Spielerein habe ich mich auch mal beschäftigt. Aber die sind mir schnell auf den Keks gegangen. Was ich beibehalten habe, ist die angepasste Kontrolleiste -> sieht jetzt bissel Mac-mässig aus.
Gibt ein cooles Gefühl ;-)
fwolf ¶
2. Mai 2008, 12:34 Uhr
Zitat Sylke:
Dafür bietet sich eine virtuelle Maschine mit Windows 2k oder XP an. Ich habe speziell für Photoshop (und Browsertests) eine QEMU-basierte VM mit Windows 2000 hier rumliegen - QEMU ist in dieser Form allerdings nicht wirklich anfänger-freundlich, von daher würde ich eher zu VirtualBox oder VMware (Server) raten :-)
Nicht ganz .. XMplay hat mir unter Windows immer sehr gut gefallen, wegen dem bereits integrierten DSP-Nachbrenner und dem geringen Resourcenverbrauch. Daher wünsche ich mir sowas auch für Linux (gibt es sicher, muss man nur finden ...).
cu, w0lf.
Peter ¶
2. Mai 2008, 12:47 Uhr
Zitat Sylke:
Wieso? Photoshop funktioniert doch 1A unter Linux.
Exaile ist mindestens genau so gut.
Wenn ihr im übrigen noch ein paar Geheimtipps für Software habt, die ich im nächsten Teil keinesfalls vergessen darf, nur her damit!
fwolf ¶
2. Mai 2008, 12:48 Uhr
In Sachen Photoshop: Wer aufs Cloning / Stempel-Tool verzichten kann, der benutzt WINE. Kompatiblitätsliste gibts auch - PS 5 - 7 laufen sehr stabil, evtl. muss man aber auch ein Downgrade auf ältere WINE-Versionen machen (bei mir funzt PS 5 unter XFCE mit den aktuellen Versionen nicht mehr, ich verwende deshalb weiterhin immer noch Version 0.9.41).
cu, w0lf.
fwolf ¶
2. Mai 2008, 13:02 Uhr
Zitat Peter:
Hm .. mal sehen ... Synaptic statt KAdept?
Quanta Plus statt Bluefish, Inkscape statt Freehand / Illustrator und Krusader in Kombination mit emelFM2 als Total Commander-Ersatz.
Grip fürs schnelle und einfache Umwandeln von Audio-CDs in verschiedenste Formate (bevorzugt Ogg Vorbis ;-)), XFCE statt KDE, Zattoo Player für den schnellen Kick in Sachen Spongebob, gThumb in Kombination mit convert (ImageMagick) als besserer Ersatz für Gwenview + Co. (ersteres hat schon deutliche IrfanView-Qualitäten), Krita als Corel/MS Paint-Ersatz ... joa.
Noch mehr: gcolor2 als Farbpipette, speedcrunch als idealer Taschenrechner mit on-the-fly-Ergebnisvorschau, Yakuake als Konsole-Ersatz (Popdown via "F12"), w3m und links2 fürs schnelle Brausen im Netz (z.B. auf den Seiten der Bahnauskunft), XAMPP als vollwertiger Entwicklungsserver, axel als Multi-Download-Manager, htop als benutzerfreundlicher Ersatz für top + ps, bitchx + screen als klasse IRC-Client mit Hintergrundfunktion, Freemind und kdissert fürs Mindmapping, Dia als guter Diagramm-Editor, KWord und Abiword fürs schnelle Textverarbeiten und ganz zum Schluß: FreeCiv für Strategiespiele-Fans und Lost Labyrinth für Hack'n'Slay-2D-Spieler ;-)
cu, w0lf.
Peter ¶
2. Mai 2008, 13:09 Uhr
Gut gut! Aber alle anderen ab jetzt bitte auf die Webentwickler-Zeugs beschränken. Sowas wie Dateimanager, das muss jeder selbst für sich herausfinden.
Zitat fwolf:
Ach, Speedcrunch ist doch bloat … Python-Konsole > *
Sylke ¶
2. Mai 2008, 19:01 Uhr
@FWOLF: an VM habe ich mich bisher nicht herangewagt... keine Ahnung warum. Sicher auch Zeitmangel sich damit zu beschäftigen. Was hältst Du davon, ergänzend zum Thema hier, mal das Zusammenbasteln einer solchen - inklusive dem Installlieren der Programme hier zu beschreiben? Das wäre doch mal 'ne Sache! :-)
Oder gibt es schon 'ne gute deutsche Anleitung irgendwo?
@Peter: Deinen Tipp hatte ich damals sofort bei Erscheinen versucht umzusetzen, bin aber mehrmals kläglich gescheitert. Immer beim eingeben der Seriennummer.
Und nun @all, so ganz "off Topic" ist das ja nicht: Wie siehts mit einem Buchhaltungsprogramm aus? Ich benutze Lexware (auch unter Windows) habe aber noch nie versucht, es unter wine zu installieren.
Muss mich wohl doch mal mit VMs beschäftigen.
Idee ¶
2. Mai 2008, 23:49 Uhr
Zitat Michel:
Gerade die automatische erkennung der Auflösung hat sich unter Hardy (8.04) stark gebessert.
Martin ¶
3. Mai 2008, 21:35 Uhr
Geheimtipp: GIMP. Viele empfehlen es, nutzen es aber kaum. Dabei kann man es für viele Webdesignerische Aufgaben hervorragend einsetzen.
Eigentlich muss man dafür nur eines: sich zurecht finden. Man muss durch die Menüs wühlen, ein bisschen die Foto-Tutorials auf der Webseite anschauen (nicht die Grafik-Tutorials, die sind meistens eher schlecht), rumprobieren. Nach einer Weile klappt das wie von selbst.
Schließlich muss man sich in Photoshop doch auch einarbeiten, oder? ;)
soophie ¶
19. Mai 2008, 20:17 Uhr
Blöd allerdings wenn man mittels Live Session die Funktion einer Hybrid-CD testen will. Die erkennt er nur sporadisch korrekt. Und wenn die zu verwendenden Daten in der PC-Partion liegen und nicht in der HFS hat man ein Problem. *Erfahrung* *schnauze voll*
Daher: Morgen wird mir Ubuntu installiert ;)