Nachdem wir in Teil 1 der Artikelserie „Linux für Webworker“ schon feststellen konnten, dass Linux keine schwarze Magie, sondern ein ganz harmloses Betriebssystem für Computer ist, stürzen wir uns heute direkt in die Materie. Es soll darum gehen, wie man schon mal ein wenig mit Linux herumspielen kann, ohne irgend etwas an seinem Rechner ändern oder installieren zu müssen. Und natürlich auch ohne kryptischen Code in ein Terminal hacken zu müssen.

Die gesamte Artikelserie:

  1. Was Linux ist und warum man sich dafür interessieren sollte
  2. Unverbindliches Ausprobieren
  3. Programme, Programme, Programme
  4. Photoshop und andere Windows-Anwendungen unter Linux
  5. Pimp my Linux
  6. Die Konsole ist dein Freund

Was sind Live-Systeme?

Ein Live-System ist ein Betriebssystem, das von einer CD, einer DVD oder einem USB-Stick starten kann, ohne dass es vorher auf dem betreffenden Rechner irgendwas installiert werden müsste. Viele Linux-Distributionen kann man als Live-System verwenden – es gibt sogar welche, die nur 50 MB groß sind und bequem auf jeden noch so alten USB-Stick passen.

Solche Live-Systeme sind nicht nur ein hervorragendes Tool zur Reparatur zerschossener Windows-Installationen, sondern sie eignen sich auch gut zum einfachen ausprobieren einer Linux-Distribution. Läuft mein Netzwerk? Wird meine Soundkarte erkannt? Mag ich überhaupt das GUI dieser Distribution? All diese Fragen lassen sich beantworten, ohne auch nur ein Byte Programmcode auf einem Rechner zu installieren. Und natürlich ist man als Anfänger sicher nicht schlecht beraten, seine ersten Schritte in der relativen Sicherheit eines Live-Systems zu unternehmen.

Unser erstes Linux

Wie wir im ersten Teil dieser Serie gelernt haben, bekommt man es als Endanwender meist mit Linux in Form von so genannten Distributionen, also Paketen von Software zu tun. Ubuntu ist eine solche Distribution und es wird uns im weiteren Verlauf uns unsere Beispiel-Linux begleiten. Der einfache Grund für ist, dass es gezielt für hohe Benutzerfreundlichkeit optimiert ist, einen Haufen Hardware unterstützt wird und im Moment sehr populär ist – wenn man also mal ein Problem hat, findet man relativ schnell jemanden, der eine Lösung kennt.

Bevor wir loslegen noch ein paar Sätze zu den Hintergründen unseres Testsystems. Ubuntu wird von der Firma Canonical Ltd. gesponsort, die dem südafrikanischen Unternehmer Mark Richard Shuttleworth gehört. Dieser hatte zu Zeiten des Dotcom-Booms noch gerade rechtzeitig vor dem großen Crash sein Internetunternehmen für ca 500 Millionen US-Dollar verkauft und sich mit dem Geld nicht nur einen Platz in einem russischen Sojus-Raumschiff leisten können (er war der erste Afrikaner im Weltraum und an Bord der ISS), sondern eben auch Canonical gegründet.

Diese Firma ist ein gutes Beispiel dafür, dass Linux und andere freie Software nicht, wie es manchmal unterstellt wird, der praktizierte Kommunismus ist. Denn obwohl Canonical im Moment in erster Linie davon lebt, dass Mark Shuttleworth auch nach seinem Weltraum-Trip noch ein paar Dollar übrig hatte, soll sie langfristig mit Ubuntu, das man ganz normal überall kostenlos herunterladen kann, Gewinn einfahren. Wie das geht? Ganz einfach: Canonical bietet Support und Servicedienstleistungen rund um Ubuntu gegen Bares an. Man sieht: Linux und Unternehmertum müssen sich absolut nicht ausschließen!

Mit Ubuntu werden wir uns jetzt erstmals in die Untiefen des unbekannten Betriebssystems wagen. Unverbindlich, mit einem Live-System und ohne irgend etwas fest zu installieren. Bereitzuhalten sind: Ein CD-Rohling, ein Internetanschluss und und etwas Zeit.

Unverbindliches Ausprobieren in drei Schritten

Als erstes müssen wir uns Ubuntu beschaffen. Im Get Ubuntu-Bereich der Ubuntu-Website werden uns dazu drei Optionen angeboten: Download, Kauf und das Bestellen einer kostenlosen CD. Am schnellsten kommen wir hier natürlich mit dem Download an das Ziel: Wir brauchen die Ubuntu 8.04 LTS Desktop Edition (denn wir wollen ja keinen Server aufmachen) und die 32-Bit-Variante (denn mit 64 Bit gibt es noch so manches Problem).

Download-Seite von Ubuntu.com

Statt des direkten Downloads kann auch Bittorrent verwendet werden – in diesem Fall brauchen wir von dieser Liste die Datei ubuntu-8.04-desktop-i386.iso.torrent. Am Ende sollte sich auf jeden Fall ein ISO-Image mit Ubuntu auf unserer Festplatte befinden. Schritt zwei bedarf dann keiner großen Erkärungen mehr: Einfach das heruntergeladene CD-Image brennen und im BIOS dem Zielrechner sagen, er möge doch bitte vom CD-Laufwerk booten. Und das war auch schon der komplette Schritt Nummer 2. Jetzt heißt es: CD einlegen und Rechner neu starten.

Im Laufe des Startvorgangs werden wir von diesem Bildschirm begrüßt:

Bootmenü der Live-CD von Ubuntu

Dort führen wir dann Schritt 3 aus: Enter drücken. Fertig. Jetzt lassen wir das CD-Laufwerk noch ein wenig arbeiten und zack – wir sind da. Willkommen bei Linux.

Willkommen bei Ubuntu!

Sieht doch gar nicht so übel aus, oder? Das System ist komplett funktionsfähig. Wer mag, der darf schon mal mit den diversen Desktop-Einstellungen herumspielen, in OpenOffice einen Text schreiben oder mit dem Firefox 3 eine Runde surfen. Einige Dinge wie 3D-Beschleunigung oder Wlan funktionieren unter Umständen mangels Treiber nicht, aber zumindest kann man schon mal einige andere Aspekte von Linux/Ubuntu ausprobieren.

Wenn man glaubt alles gesehen zu haben, kann man ganz einfach den Rechner herunterfahren, die CD aus dem Laufwerk nehmen und neu starten – schon ist man wieder zuhause bei seinem Windows oder MacOS. Und man kann feststellen: Linux ist ja gar nicht so kompliziert und nerdig, wie es heißt. Damit kann man ja sogar richtig arbeiten! Aber auch als Webworker? Die folgenden Teile dieser Artikelserie werden es zeigen.

Ausblick auf Teil 3

Im nächsten Teil werden wir uns an das machen, was jedem anständigen Webschaffenden besonders lieb und teuer ist – die Software, die ihn seinen Job schnell und komfortabel erledigen lässt. Und davon gibt es unter Linux viel. Und das was es nicht gibt, bekommt man trotzdem zum funktionieren. Man bedenke die goldene Linux-Regel, dass alles möglich ist, wenn man es nur genug will. In ein paar Tagen werden wir uns also mit Aptana, gftp, Apache, Quanta Plus, GIMP, dem Pixel Image Editor und vielen anderen feinen und freien (oder zumindest preisgünstigen) Programmen befassen.

Bis dahin hätte ich noch ein paar Vorschläge für den interessierten Leser:

  1. Derivate ausprobieren: Weil wir in den weiteren Teilen der Serie auch mit Ubuntu werkeln werden, ist es vielleicht nicht falsch zu wissen, dass es verschiedene Geschmacksrichtungen dieser Distribution gibt. Die wichtigsten (offiziellen) sind Kubuntu und Xubuntu, die jeweils unterschiedliche GUIs mitbringen. Und weil die auch alle als Live-CD daherkommen, bietet sich das Ausprobieren ja durchaus an.
  2. Wissen ist Macht: Die Wikipedia-Artikel rund um das Thema Linux sind von beängstigend guter Qualität. Ubuntu und Linuxhaben nicht umsonst den Status exzellenter Artikel – da kann man vieles lernen, für das in meiner kleine Artikelserie kein Platz ist.
  3. Bookmarken: ubuntuusers.de und ubuntuforums.com wird man brauchen wenn mal was schief läuft. Außerdem kann man dort auch schon mal stöbern und zum Beispiel schöne Screenshots anschauen.