Willkommen zu einem außerplanmäßigen Zwischenstopp. Wegen der großen Nachfrage schiebt sich der eigentlich an dieser Stelle geplante Artikel über Anfängerfallen etwas nach hinten und wir kümmern uns stattdessen darum, wie wir unser schönes Linux anständig aufmotzen und anpassen können. Der Webdesigner ist eben auch ein Designer und da ist das in der Tat nicht ganz unwichtig.

Die gesamte Artikelserie:

  1. Was Linux ist und warum man sich dafür interessieren sollte
  2. Unverbindliches Ausprobieren
  3. Programme, Programme, Programme
  4. Photoshop und andere Windows-Anwendungen unter Linux
  5. Pimp my Linux
  6. Die Konsole ist dein Freund

Das Problem dieses Artikels

Beim Schreiben dieses Artikels gab es für mich zwei Probleme. Erstens gibt es viel zu viel Software, mit der man sein Linux aufmotzen und umbauen kann, als dass irgendwer auf diesem Planeten einen Überblick darüber haben könnte. Den Anspruch eines Überblicks kann dieser Artikel also sicher nicht erheben.

Zweitens kommt der Linux-Desktop an sich relativ modular daher. Dass heißt, dass man so gut wie alles irgendwie umbauen und pimpen kann, und das in der Regel auch relativ einfach: Programm installieren, drei Zeilen in einer Konfigurationsdatei ändern, aus- und wieder einloggen, fertig. Bei Windows oder MacOS hat man, weil dort eben alles aus einer Hand kommt, so viel weniger Möglichkeiten des Umbaus, dass man die im Vergleich fast vernachlässigen könnte. Howtos für alles kann man nicht schreiben, also wird’s die in diesem Artikel ebenfalls nicht geben.

Festzuhalten bleibt: Man kann an seinem Linux-Desktop wirklich alles umbauen und aufmotzen, immer vorausgesetzt man baut keinen Mist und zerschießt sein System durch eigene Unfähigkeit. Selbstverständlichkeiten wie die Anpassung von Farben, Fensterrahmen und Iconsets werde ich deswegen ausklammern. Dieser Artikel ist im Endeffekt eine bunte Ansammlung von Tools und Programmen, die vielleicht eine Idee davon geben, was möglich ist. Alles eben.

Beispiele

Beim Thema Linux denkt der unbedarfte Mitbürger an bärtige Mathematiker, die Unverständliches in eine grün-schwarze Texteingabe hacken. Nun, diese bärtigen Mathematiker gibt es zweifellos, aber alle anderen bauen sich schicke, Desktops zusammen. Wie wäre es mit ein paar Beispielen zum Aufwärmen?

Beispiel 1

Beispiel 2

Beispiel 3

Beispiel 4

Beispiel 5

Schick, nicht wahr?

Desktop-Effekte

In Bewegung kann das Ganze sogar noch besser aussehen! Es ist ohne weiteres möglich, seinen Desktop in ein Effektfeuerwerk zu verwandeln. Das Zauberwort dafür heißt Compiz bzw. neuerdings Compiz Fusion.

Compiz bietet nicht weniger als einen hardwarebschleunigten 3D-Desktop mit allerlei Effekten. Damit lässt sich viel nutzlose Spielerei veranstalten; es gibt aber auch Features, die sinnvolle Extras in Sachen Usability sind (Ring Switcher, Expo, Fester gruppieren etc). Voraussetzung ist eine leistungsfähige 3D-Karte mit aktuellen Treibern. Natürlich ist das Ganze hochgradig konfigurierbar – für verschiedenste Beispiele einfach mal bei Youtube suchen.

Mit Compiz kann man Vista und OS X in Sachen Bling-Bling locker ausstechen. Wenn man das nicht vorhat, kann man sich auch auf dezente Effekte wie Schatten und Transparenz beschränken. Ähnliche Projekte sind Project Looking Glass von Sun und Metisse, das man z.B. in der Linux-Distribution Mandriva findet.

Desktop-Widgets

MacOS und das neueste Werk von Microsoft sporten Widgets, also kleine Programme, die auf dem Desktop sitzen und diverse Dinge anzeigen. Nichts was Linux nicht auch könnte, allerdings steht man hier vom Problem, das richtige Programm für die Desktop-Anzeigen zu wählen. Es gibt gDesklets, aDesklets, Screenlets und SuperKaramba die allesamt wunderbare Gadgets enthalten – für welches Widget-Programm man sich letztlich entscheidet, muss man von seinem persönlichen Eindruck und der verwendeten Desktopumgerbung abhängig machen.

Im Bild: Einige Desktop-Widgets auf gDesklets-Basis.

gDesklets

Die ganzen oben gelisteten Widgets kann man sich bequem mit einem GUI zusammenklicken. Ein etwas anders gelagerter Fall in diesem Bereich ist Conky.

Conky

Das sieht auch aus wie ein ganz normales Widget, aber es gibt eine Besonderheit: Conky ist zu 100% auf Anwenderkonfiguration angewiesen. Das heißt, dass der Linux-Nerd eine Datei namens .conkyrc in seinem Home-Verzeichnis anlegt, und die mit kryptischem Code füllt. Das obrige Conky-Beispiel entsteht aus dieser Konfigurationsdatei.

Conky zeichnet sich dadurch aus, dass es einerseits natürlich komplett konfigurierbar ist und andererseits extrem sparsam mit den Systemressourcen umgeht. Wer sich die Zeit dafür nehmen möchte, kann sich völlig individuelle Widgets mit bunten Farben und Graphen zusammenschustern. Der Rest greift dann eben zu den normalen Widgets. Microsoft und Apple bieten in Sachen Desktop-Spielerei auch nicht mehr.

Panels und Menüs

Spätestens bei diesem Thema werden Windows und Mac OS von Linux in Sachen Konfigurierbarkeit vollends abgehängt, denn auch hier gilt: Alles geht, wenn man nur will. Abhängig von der verwendeten Desktopumgebung kann man auf eine Vielzahl von Menüs und Systempanels zurückgreifen und diese nach Herzenslust anpassen. Neben den Standardmenüs der großen Desktopumgebungen Gnome, KDE und XFCE gibt es viel zu entdecken. Beispiele? Aber gerne doch …

Großer Beliebheit erfreut sich zum Beispiel der Avant Window Navigator, der ein Dock wie bei Apple zur Verfügung stellt. Solcherlei lässt sich bei Bedarf auch via Desktop-Widget realisieren.

AWN - Avant Window Navigator

Und wer auf etwas ganz anderes steht, sollte vielleicht mal das Circular Application Menu ausprobieren.

Circular Application Menu

Mayanna organisiert alles, was man in seinem normalen Startmenü so findet, in vier Kategorien um: System (Einstellungen, Herunterfahren etc), Programme, Dokumente und Personen (IM-Kontakte etc.). Diese Einteilung lernt man schnell zu schätzen.

Mayanna

Programme statt durch anklicken über Tastatureingabe starten ist auch kein Problem – GnomeDo ist eins von mehreren Programmen, die das möglich machen. Windows-Taste + Leer bringen das Programm aus dem Hintergrund nach vorn. Dann beginnt man einfach, den Namen des gewünschten Programms einzutippen, bis GnomeDo das richtige anzeigt (in der Regel nach 3-4 Buchstaben). Einmal Eingabe gedrückt und schon wird gestartet. Das geht wesentlich schneller als in irgendwelchen Menüs herumzuwühlen, vorausgesetzt, man weiß was man installiert hat.

GnomeDo

Das waren jetzt vier relativ verschiedenartige Ansätze für Startmenüs, aber es gibt natürlich noch viele viele mehr.

Fenstermanager

Die bisherigen Beispiele gingen mehr in die Richtung der konventionellen Desktop-Anpassung. Ein Startmenü austauschen und Widgets einbauen, das darf man heutzutage erwarten. Wenn man sich aber mal unter dem Stichwort alternative Fenstermanager umsieht, findet man (auch) ungewöhnliche und teilweise bizarr anmutende Programme, mit denen man die Bedienung und das Aussehen des Desktops komplett umkrempeln kann – Compiz Fusion, der 3D-Desktop, ist ein solches Programm.

Den populären Fenstermanager Metacity kennen von Gnome, KWin von KDE und Xfwm von XFCE, den Desktopumgebungen der bereits so oft erwähnten Ubuntu, Kubuntu und Xubuntu. Die sind alle mehr oder minder konventionell, also ran an die Alternativen!

Nach all dem Eyecandy bisher wollen wir zunächst mal ein bisschen nerdig werden. Vielleicht kann sich der eine oder andere Programmierer für wmii erwärmen. Da gibt es nämlich keine Fenster, sondern Frames. Jup, Frames auf dem Desktop. In jedem Frame sitzt ein Programm. Das klingt zunächst primitiv, aber eine Setup wie dieses hier hat durchaus seine Vorzüge …

wmii

Ein weiterer Vorteil solcher Fenstermanager ist, dass sie sehr gut ohne Maus bedient werden können und sich so zum Beispiel auch für Laptops anbieten.

Fluxbox ist etwas für alle, denen Schlankheit und Effizient über Bling-Bling geht. Hochgradig konfigurierbar und sorgt dafür, dass man seine Programme auch benutzten kann und nicht von irgendwelchen Extravaganzen abgelenkt wird.

Fluxbox

Darf es auch etwas weniger nerdig sein? Enlightenment ist modular aufgebaut, schnell und schick.

Enlightenment

Man muss sich einfach vergegenwärtigen, dass es am einen Extrem den effektgeladenen 3D-Desktop mitz Compiz Fusion gibt und am anderen Ende so archaisch anmutende Programme wie wmii. Und irgendwo zwischen diesen beiden Polen findet man mit Sicherheit eine Lösung, die dem persönlichen Geschmack entspricht.

Fazit

Der Artikel ist schon jetzt viel zu lang und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich viele nützliche Dinge wie z.B. Panel-Applets unterschlagen habe. Aber, wie in der Einführung gesagt, das ist auch gar nicht alles zu bewältigen. Festhalten sollten wir am Ende drei Dinge:

  1. Ein Linuxdesktop kann ohne weiteres mindestens genau so viel Bedienungskomfort und Eyecandy als OS X oder Windows Vista bieten.
  2. Wenn man stattdessen auf Effizienz und Leistung steht, kann man sich sein System eben dementsprechend einrichten.
  3. Als Benutzer hat man jeden Aspekt seines Desktops voll in der Hand.

Wie immer ergeht an dieser Stelle die Bitte an alle Leser, mir mitzuteilen wenn in diesem Artikel ein ganz wichtiges Programm fehlt. Und bevor die Frage kommt: Mein Desktop ist ein ganz konventionelles XFCE auf zwei Bildschirmen ohne Bling-Bling.

Mein Desktop