Welcome to Netscape!

Für ein Projekt recherchiere ich gerade die Anfänge des Webdesigns. Wir moderne Webworker leben ja heute im CSS-Zeitalter und haben es dem Internet Explorer zum Trotz recht bequem, denn CSS ist eine feine Sache. Zuvor gab es aber bekanntermaßen die Präsentationsmarkup-Eiszeit, in der Dinge wie <font> und <center> das beherschende, HTML verhunzende Mittel der Wahl waren. Wie kam es dazu?

Tim-Berners Lee ist jedenfalls nicht schuld daran. Seit es überhaupt Auszeichungssprachen gibt, wusste man, dass die Vermischung von Inhalt und Design keine besonders gute Idee ist und entsprechend hatte HTML auch zu Beginn keinerlei Gestaltungselemente. Nur die User-Styles der Browser sollten Einfluss auf das Erscheinungsbild der Dokumente haben, so etwas wie „Webdesign“ sollte es nie geben. Zu dumm nur, dass man da nicht vorher die Webdesigner (bzw. damals noch schlicht „HTML-Autoren“ genannt) gefragt hatte, die auf den gängigen Mailing Lists massives Lobbying für Gestaltungsmöglichkeiten betrieben. Und so kam es wie es kommen musste: ein Browserhersteller nahm sich kurzerhand der Wünsche der Community an.

Die Volkstribunen von Netscape waren es, die uns Elemente wie <font>, <center> und <hr> geschenkt haben. Aus heutiger Sicht mag die Einführung dieser Elemente wie der große Markup-Sündenfall erscheinen, doch nicht zu vergessen – man hatte damals nichts anderes. Und wenn man einen Blick in das aus heutiger Sicht recht unterhaltsame Handbuch von Netscape 1.0 wirft, sieht man, dass man damals auf diese revolutionären Erfindungen absolut stolz war:

<FONT SIZE=value>
Surprise! You can change the font size!

[...]

<CENTER>
You aren't dreaming, yes you can center your text!

Klar, heute möchte sich fast niemand mehr mit <font> und <center> herumschlagen, aber wer weiß, was aus dem Web geworden wäre, wenn damals nicht auf diese Art und Weise die Web-Gestaltungsfreiheit überhaupt erst eingeführt worden wäre. Ob dazu unbedingt auch <blink> und <marquee> nötig gewesen wären, sei freilich dahingestellt.